Schon bald läuft Nijerwan Ahmed in der Kreisliga auf

Quelle: www.tageblatt.de
LANDKREIS. Um die Spielberechtigung zu bekommen, mussten die Verantwortlichen des TSV Eintracht Immenbeck viele Fragen klären. Auch der Landesverband hat mit einer großen Herausforderung zu kämpfen.

Dienstagabend, Kunstrasenplatz, Immenbeck. Nijerwan Ahmed, ein junger Mann mit schwarzem Unterlippenbart und breiten Augenbrauen, lehnt am Geländer und beobachtet das Treiben auf dem Spielfeld. Gerade hat das Testspiel zwischen dem TSV Eintracht Immenbeck und den VSV Hedendorf/Neukloster begonnen. Ahmed, der nicht von Beginn an spielt, trägt einen roten TSV-Trainingsanzug.

Nijerwan Ahmed, 21, auf dem Sportplatz Brune Naht in Immenbeck: Demnächst will er dort in der Kreisliga auflaufen. Foto Scholz

Der junge Mann lebt seit fünf Monaten in Deutschland. Seine syrische Heimatstadt Qamischli, direkt an der Grenze zur Türkei, hatte er wegen des Bürgerkriegs verlassen, seine Familie ist noch dort. Er landete in einer Flüchtlingsunterkunft in Buxtehude, lernt an der BBS Deutsch und kam vor knapp einem Monat zur Eintracht. Trainer Volker Wiede war prompt überzeugt: Der Mittelfeldspieler ist einer für die erste Mannschaft. Damit ist Immenbeck der dritte Kreisligist, der demnächst einen Flüchtling im Spielbetrieb einsetzt. Der Deinster SV hat schon seit der vergangenen Saison zwei Sudanesen im Kader, der FC Oste/Oldendorf II plant seit diesem Winter mit dem Ivorer Mohamed Bachir.

Einige der übrigen Kreisligisten hatten durchaus Flüchtlinge im Training, wie eine TAGEBLATT-Umfrage ergab. Doch häufig genügten deren Leistungen für die Kreisliga nicht, manchmal tauchten sie nach einigen Einheiten nicht mehr auf, andere hingegen wollten einfach nur kicken. Beim TuSV Bützfleth trainieren seit drei Monaten bis zu fünf Flüchtlinge aus Afghanistan mit. „Die Jungs haben richtig Lust, Fußball zu spielen, aber für die Kreisliga langt es nicht“, sagt Trainer Yannick Kollega. Auch die VSV Hedendorf/Neukloster II hatten fünf Syrer im Training, die aber nicht talentiert genug gewesen seien, wie Trainer Rainer Rambow sagt. Die meisten Flüchtlinge sind auch deshalb in den unterklassigeren Kreisklassen-Teams zu finden. Und es werden immer mehr.

Das spüren insbesondere die Mitarbeiter der Passstelle beim Niedersächsischen Fußballverband (NFV). Der Anstieg der zu bearbeitenden Anträge lasse sich laut Referatsleiter Ralf Serra nicht beziffern, es seien aber deutlich mehr geworden. Allein im Vorjahr ist die Zahl der Anträge nach seiner Schätzung um ein Drittel im Vergleich zu 2014 gestiegen. „Jetzt ist es noch extremer geworden“, sagt Serra. Seine Kollegen in der Passstelle arbeiteten daher zusätzlich sonnabends.

Um eine Spielberechtigung für Flüchtlinge zu bekommen, verlangt der NFV laut Serra von den Vereinen neben dem Antragsformular ein gültiges Ausweisdokument. Die Daten landen dann beim Deutschen Fußball-Verband (DFB), und der fragt beim Fußballverband des jeweiligen Herkunftslandes an, ob es weltweit nur eine Spielerlaubnis gibt. Das verlangt der Weltfußballverband Fifa für jeden Flüchtling ab dem zehnten Lebensjahr. Das Problem: Meistens kommen laut Serra von den Landesverbänden der Flüchtlinge keine Antworten. In so einem Fall ist der Flüchtling erst nach 30 Tagen spielberechtigt. Auf Anträge des DFB an die Fifa, die Auflagen zu lockern, habe es bislang keine Reaktionen gegeben, sagt Serra.

Nijerwan Ahmed ist noch nicht spielberechtigt. Den Antrag wollen die Immenbecker schon bald zum NFV schicken. Dadurch wird Ahmed die ersten Kreisliga-Partien des Jahres verpassen. „Aber das ist nicht so schlimm“, sagt Michael Rump. Dem Fußball-Obmann geht es um die Integration, und der Schlüssel dazu sei die Sprache.

Ahmed wirkt schüchtern. Er spricht leise und langsam. Fällt ihm ein deutsches Wort nicht ein, schielt er in die Ferne. Fällt es ihm dann immer noch nicht ein, entschuldigt er sich dafür. Ahmed versteht nicht alles, aber vieles. Trainer Wiede ist beeindruckt, wie gut er nach so kurzer Zeit Deutsch spreche.

Mit Ahmed kamen drei weitere Flüchtlinge in Immenbecks U 23 und der Ü 50 unter. Vier weitere trainieren mit der zweiten Mannschaft. Demnächst sollen sie entsprechend ihrer Leistungen auf die Teams verteilt werden. Die Grenze liegt laut Rump bei bis zu drei Flüchtlingen pro Mannschaft. Dadurch könnten sie die Sprache besser lernen, erklärt er, zugleich hätten sie durch die anderen Flüchtlinge einen Halt, wegen der gleichen Muttersprache. Auch das Training verliefe Rump zufolge reibungsloser.

Der Deinster SV war der erste Verein mit spielberechtigten Flüchtlingen. Angreifer Emad Babiker kam im Winter 2014, wenig später folgte Verteidiger Amar Alnoor. Anfangs, berichtet Trainer Sönke Kreibich, habe es noch sprachliche Probleme gegeben, auch die Pünktlichkeit habe zu wünschen übrig gelassen. „Inzwischen hat sich das eingependelt“, sagt Kreibich. Babiker und Alnoor sind feste Bestandteile der Mannschaft. Die beiden Sudanesen kamen unerwartet, waren willkommen im kleinen Kader. Die Mitgliedsbeiträge übernimmt seither der Verein.

Auch die Immenbecker zahlen die Beiträge für alle Flüchtlinge in der Fußball-Abteilung. Michael Rump sieht aber die Stadt Buxtehude und die Verbände in der Pflicht, ihren Teil zu leisten. „Uns Ehrenamtlichen wird sehr viel abverlangt“, sagt Rump. Wie läuft die Antragstellung ab? Wer zahlt dem Verein die Mitgliedsbeiträge? Wie werden Flüchtlinge richtig integriert? Fragen, auf die Rump und seine Kollegen zuletzt Antworten gesucht und gefunden haben. „Ob wir auf dem richtigen Weg sind, weiß ich nicht.“

Nijerwan Ahmed fühle sich, wie er sagt, bei der Eintracht jedenfalls wohl. Die Mitspieler hätten Fußballschuhe und Sportklamotten für ihn besorgt, Trainer Volker Wiede hat ihn anfangs vor dem Training mit dem Auto abgeholt und danach wieder zur Unterkunft gebracht. Inzwischen ist Nijerwan Ahmed mit einem eigenen Fahrrad mobil. „Mir gefällt es hier gut“, sagt er mit leiser Stimme.

 

5 Tipps für Fußball-Vereine
Der Spielerpass muss bei der Passstelle des jeweiligen Landesverbandes beantragt werden. Benötigt wird etwa ein gültiger Aufenthaltstitel.
Für minderjährige Flüchtlinge, die ohne Begleitung nach Deutschland gekommen sind, beantragt der Vormund, etwa ein Mitarbeiter des Jugendamtes, die Spielberechtigung beim Verband.
Menschen mit (un-)befristeten Aufenthaltstiteln, einer Aufenthaltsgestattung oder einer Duldung sind krankenversichert oder haben Anspruch auf Gesundheitsversorgung.
Für Mädchen sollte es Trainerinnen als sportliche Vorbilder geben sowie geschlechtergetrennte Trainingsgruppen oder Trainingszeiten vor der Dämmerung.
Flüchtlinge dürfen auch ohne ausdrückliche Genehmigung der Ausländerbehörde unbezahlt in Vereinen mitarbeiten.

Quelle und weitere Informationen www.dfb.de

 

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