Wie der Jungschiedsrichter des Jahres mit Verbal-Attacken umgeht

Vincent Springer vom TSV Eintracht Immenbeck
Vincent Springer vom TSV Eintracht Immenbeck hat sich in vier Jahren bis in die Kreisliga hochgearbeitet. Foto: Bröhan

LANDKREIS. Der Fußballverband hat im Kreis Stade seine besten Schiedsrichter ausgezeichnet. Vincent Springer (18) vom TSV Eintracht Immenbeck trägt den Titel Jungschiedsrichter des Jahres. Aber wie wird man eigentlich Schiri?

Das erste Spiel

Freitagabend. Flutlichtspiel. Derby zwischen zwei benachbarten Dorfvereinen. Es riecht nach feuchtem Gras, Bier und Bratwurst. Zigarettenqualm wabert über den Sportplatz. In solch einer Atmosphäre fühlt sich Vincent Springer in seinem Element. „Das macht so unglaublich Spaß“, sagt er. Pöbeleien oder Beleidigungen von Zuschauern gibt es dabei durchaus, weil der Schiedsrichter ja grundsätzlich immer an allem schuld ist, aber das sei nicht der Regelfall. Und wenn doch, versucht Springer die verbalen Attacken auszublenden. „Ich habe das ganz gut im Griff“, sagt er.

Im November pfiff Vincent Springer sein erstes Kreisligaspiel. Gut vier Jahre waren seit dem Anwärterlehrgang vergangen, bei dem Springer seinen Schiedsrichterschein gemacht hatte. Die zweite Mannschaft des TuS Harsefeld empfing den MTV Himmelpforten. An einem Freitagabend unter Flutlicht. 2:1 für Himmelpforten. Siegtreffer per Elfmeter elf Minuten vor Schluss, sechs Gelbe Karten, hitzige Schlussphase. „Das Spiel lief gut“, sagt Vincent Springer. Seine umsichtigen Assistenten Julian Eckhoff und Finn-Luca Grantz hatten Springer ein gutes Gefühl gegeben und die Aufregung genommen. Bei seinem ersten Männerspiel zuvor in der 4. Kreisklasse habe ihm das Durchsetzungsvermögen noch gefehlt. Springer lernte schnell.

Die ersten Gehversuche

Die Laufbahn als Schiedsrichter beginnt bei Vincent Springer ganz klassisch. Als Spieler, sagt er, sei er nicht gerade leise gewesen. Er habe Entscheidungen gerne kommentiert. Vielleicht habe er aber auch deshalb die Seiten gewechselt, weil er als Fußballer „eher halberfolgreich“ spielte. Seitdem er fünf Jahre alt ist, kickt er bei Eintracht Immenbeck. Heute in der vierten Mannschaft in der 4. Kreisklasse. Aber das Pfeifen geht vor.

Und Vincent Springer interessierte sich von Anfang an für den anderen Blickwinkel auf dem Spielfeld. „Ich habe mir Bundesligaschiedsrichter angeschaut“, sagt Springer. Mit 14 Jahren begann er, Bücher zu lesen, in denen Schiedsrichter Geschichten erzählen. Das habe ihn „geflasht“.

Nur wenige Frauen

Vincent Springer ist im Landkreis Stade einer von 183 Schiedsrichtern. Nicht einmal zehn Frauen sind darunter. Im Schnitt sind die Schiedsrichter 26 Jahre alt. Der Jüngste ist gerade mal 13, der Älteste 74. Vor Corona lag die Anzahl der Unparteiischen immer bei 200 herum. Aufgrund der Pandemie fielen Anwärterlehrgänge aus und entsprechend die Möglichkeiten, neue Schiedsrichter zu rekrutieren. Unterm Strich zieht der zuständige NFV-Funktionär Marcel Baack eine positive Bilanz. Natürlich gibt es sie, die Vielpfeifer, die immer einspringen, wenn der Koordinator beim Ansetzen der Gespanne für das nächste Wochenende mal wieder verzweifelt.

„Die Herausforderung ist nicht, Schiedsrichter zu bekommen, sondern sie zu halten“, sagt Marcel Baack. Die meisten gingen, wenn nach der Schule ein Umzug stattfindet oder wenn sie als Fußballer in die Herrenmannschaften wechseln. Deshalb habe sich der NFV zehn Schritte auf dem Weg zum fertigen Schiedsrichter überlegt, die ganz viel mit persönlichem Austausch und enger Bindung zu tun haben. Ein wenig Taschengeld gibt es auch noch. Für ein Kreisligaspiel erhält ein Schiedsrichter 25 Euro Spesen, seine Assistenten 20 Euro. An einem Spiel in der Kreisklasse verdienen die Unparteiischen 22 Euro.

Vincent Springers erstes Kreisligaspiel war zugleich sein vorerst letztes. Ende November unterbrach der NFV die Saison im Kreis. Vincent Springer freut sich auf den Februar, wenn es hoffentlich weitergeht. „Ich will so oft pfeifen, wie es geht“, sagt er. Er will ganz viele schöne Dinge erleben auf und neben dem Fußballplatz. Wenn der Duft von Bratwurst sich wieder mit dem Geruch von feuchtem Rasen vereint.

Ausgezeichnet

Der NFV schätzt die zuverlässige und wissbegierige Art von Vincent Springer, der bei Landesligaspielen der Männer bereits als Assistent an der Linie gestanden hat. Diese Tatsachen machten Springer zum Kandidaten Nummer eins für die Auszeichnung zum Jungschiedsrichter des Jahres.

Als Schiedsrichter des Jahres der unter 50-Jährigen im Rahmen der „Danke Schiri“-Aktion des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) zeichnete der NFV den 32-jährige Gunnar Ziche von der SV Drochtersen/Assel aus. Ziche gilt eigentlich als Spätstarter. Erst mit 26 Jahren begann der Trainer der vierten D/A-Mannschaft mit dem Pfeifen. Mittlerweile findet Ziche aber so viel Gefallen an dem Job, dass er sogar proaktiv den Wochenendplanern des NFV anbietet, das ein oder andere Spiel mehr zu übernehmen.

Klaus-Heiner Gerken (62) vom FC Mulsum/Kutenholz erhielt die Goldene Pfeife und die Goldene Verdienstnadel bei den über 50-Jährigen. Gerken ist seit 40 Jahren als Schiedsrichter unterwegs. Gerken pfeift vor allem die Spiele der Senioren und agiert als Pate für junge Schiedsrichteranwärter. Er erklärt den Anfängern die Welt und nimmt ihnen die Aufregung. 15 Jahre lang liefen die ganz schweren Fälle bei ihm auf. Gerken war bis 2021 Vorsitzender des Sportgerichtes.

Seit 25 Jahren sind Dana Lunkowsky von den VSV Hedendorf/Neukloster und Jürgen Bockelmann von der SV Ahlerstedt/Ottendorf dabei und wurden entsprechend mit Silber dekoriert. Lunkowsky pfeift selbst und begleitet die Anfänger bei ihren ersten Gehversuchen. Bockelmann begann spät mit dem Pfeifen. Er startete mit 28, schaffte es aber dennoch als Schiedsrichter bis hinauf in die Landesliga und als Assistent an der Linie bis in die Oberliga.

Mit der Verdienstnadel des NFV für 15 Jahre als Schiedsrichter wurden Kevin Völkers von den VSV-Hedendorf/Neukloster und Lars Völker vom FC Oste/Oldendorf ausgezeichnet.

Quelle: Tageblatt.de – Daniel Berlin.

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